Fragen im Vorstellungs­gespräch – eine Gratwanderung

Welche Fragen sind im Vorstellungsgespräch erlaubt? Welche nicht? Gibt es ein «Recht zur Notlüge»?

Das Vorstellungsgespräch dient dazu, dass Arbeitgeber:in und Bewerber:in die Chance haben, einander näher kennenzulernen. Selbstverständlich werden in diesem Rahmen viele Fragen gestellt. Die Beteiligten beabsichtigen ja, das Vertrauen für ein künftiges Vertragsverhältnis aufzubauen. Bei den Fragen zur Person handelt es sich um Personendaten im Sinne des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG.) Bestimmte Fragen dürfen der Bewerber:in im Vorstellungsgespräch aber nicht ohne Weiteres  gestellt werden.

Der Grundsatz, welchem das Gesetz folgt, ist schlicht: Zulässig sind jene Fragen, die Aufschluss über die Tauglichkeit der Bewerber:in für das Arbeitsverhältnis geben (Art. 328b OR). Die Bewerber:in hat grundsätzlich wahrheitsgetreue Informationen zu geben.

Unter dieser allgemeinen Auskunftspflicht erlaubt sind beispielsweise Fragen zu:

  • Name, Geburtsdatum, Zivilstand und Adresse
  • AHV-Nummer und Angabe eines Lohnkontos
  • Ausbildung und beruflicher Werdegang
  • Berufsbewilligung (z.B. Anwaltspatent)

Unzulässig sind hingegen Fragen zu besonders schützenswerten Personendaten.

Diese geben weder Aufschluss über die Tauglichkeit der Bewerber:in für das Arbeitsverhältnis noch fallen diese unter die Auskunftspflicht. Unzulässig im Vorstellungsgespräch sind mithin unter anderem Fragen zu den folgenden Themen:

  • Heiratsabsichten, enge Freundschaften und intime Beziehungen
  • Schwangerschaft und Kinderwunsch
  • Religion, weltanschauliche und politische Einstellung sowie Gewerkschaftszugehörigkeit
  • Vermögensverhältnisse
  • Vorstrafen
  • Krankheiten und andere Gebrechen
  • Händigkeit
  • Wohnsituation
  • Sexuelle Orientierung

etc.

Stellt die Arbeitgeber:in der Bewerber:in solche Fragen, darf diese nicht nur die Aussage verweigern, sondern nötigenfalls lügen (sog. «Notwehrrecht der Lüge»).

Aber Achtung! Wo das Gesetz Regeln aufstellt, gibt es auch Ausnahmen.

Fragen zu besonders schützenswerten Personendaten – die an sich unzulässig wären – sind unter bestimmten Umständen gerechtfertigt. Dazu reicht es, dass diese in direktem Zusammenhang mit den Erfordernissen aus dem Arbeitsverhältnis stehen. Folgende Beispiele verdeutlichen diese Ausnahme:

Schwangerschaft

Eine Bewerberin darf danach gefragt werden, ob sie schwanger sei, wenn der neue Arbeitsplatz zu hohe Risiken für Schwangere und / oder das ungeborene Kind birgt oder die Arbeit ihrer Natur nach nicht von Schwangeren durchgeführt werden kann bzw. darf.

Religion, weltanschauliche sowie politische Einstellung sowie Gewerkschaftszugehörigkeit

Durchaus rechtfertigt sich die Frage nach der religiösen Zugehörigkeit, wenn der Bewerber sich z.B. bei der katholischen Kirche als Pfarrer bewirbt. Die katholischen Kirche kann aufgrund ihrer Zielsetzung verlangen, dass Arbeitnehmende über die Arbeitsleistung hinaus für ihre Ziele eintreten. Die katholische Kirche ist hier eine sogenannten «Tendenzarbeitgeberin». Dasselbe gilt unter den gegebenen Umständen für die Frage nach der Gewerkschaftszugehörigkeit sowie für Fragen nach weltanschaulichen oder politischen Einstellungen.

Gewerkschaftszugehörigkeit

Nach der Gewerkschaftszugehörigkeit darf die Arbeitgeber:in nach Abschluss des Arbeitsvertrages fragen, um festzustellen, ob der Lohn nach den Vorschriften des für sie verbindlichen Gesamtarbeitsvertrages festgesetzt werden muss. Wurde der Gesamtarbeitsvertrag hingegen allgemeinverbindlich erklärt, darf die Arbeitgeber:in auch nach Abschluss des Arbeitsvertrages nicht nach der Gewerkschaftszugehörigkeit fragen. In diesem Fall hat sie den Lohn ohnehin nach den Vorschriften des Gesamtarbeitsvertrages festzusetzen.

Vorstrafen

Sind Vorstrafen der Bewerber:in für den Arbeitsplatz relevant, darf danach gefragt werden. Wenn sich die / der Stellensuchende beispielsweise als Kassierer:in bewirbt, darf die Arbeitgeber:in fragen, ob er / sie wegen Vermögensdelikten vorbestraft ist. Sind die Straftaten jedoch nicht mehr im Strafregister aufgeführt, darf die Bewerber:in mit Blick auf das «Notwehrrecht der Lüge» die Frage verneinen.

Krankheiten und andere Gebrechen

Bei medizinischem oder Pflegepersonal rechtfertigt sich die Frage nach Krankheiten, insbesondere, wenn sie (hoch-)ansteckend ist und Risikopatienten durch den Stellenantritt der Bewerber:in einer Gefahr ausgesetzt wären. Die allgemeine Frage nach auskurierten Krankheiten ist hingegen unzulässig.

Händigkeit (Rechts- oder Linkshänder)

Die Frage, ob die Bewerber:in Rechts- oder Linkshänder:in sei, ist zulässig, sofern er / sie an seinem / ihrem neuen Arbeitsplatz Maschinen bedienen muss, welche nur von einer Rechtshänder:in bedient werden können.

Wohnsituation

Die Wohnsituation der Bewerber:in kann in Bezug auf eine Anstellung im Homeoffice relevant sein. Unter einem solchen Umstand ist diese Frage gerechtfertigt und demzufolge im Vorstellungsgespräch zulässig. Schliesslich muss die Arbeitgeber:in sicherstellen, dass die sich bewerbende Rechtsanwältin das Anwaltsgeheimnis im Homeoffice hinreichend wahren kann. Allerdings haben sich diesbezügliche Fragen in den Schranken dessen zu halten, was im Zusammenhang mit den Erfordernissen aus dem Arbeitsverhältnis steht.

Die Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Fragen im Vorstellungsgespräch sind nicht trennscharf und hängen in aller Regel von dem jeweiligen in Aussicht gestellten konkreten Arbeitsverhältnis ab.

Sie hatten kürzlich ein Vorstellungsgespräch und wissen nicht, ob die Fragen, welche gestellt wurden, zulässig sind? Wir helfen Ihnen bei der rechtlichen Klärung gerne weiter.

 

Eberhart Anwaltskanzlei

Beitrag veröffentlicht am

22. Januar 2025

Autor

Eberhart Anwaltskanzlei

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